Über die aktuelle Situation des Niederdeutschen aus Sicht der Sprecher*innen in den acht Bundesländern ließ sich der Sachverständigenausschuss des Europarates im Rahmen des Monitoringprozesses der Europäischen Sprachencharta turnusmäßig in Gesprächen am 28. März in Hamburg sowie am 29. März in Hybrid-Form in Oldenburg informieren. Grundlage für die Gespräche, an denen Delegierte des Bundesraat för Nedderdüütsch (BfN) aus allen acht Bundesländern sowie vom Niederdeutschsekretariat (NdS) teilnahmen, war der 7. Staatenbericht zur Sprachencharta (Berichtszeitraum Dezember 2017 bis April 2021).
Der Sachverständigenausschuss interessierte sich für alle Bereiche, die von der Sprachencharta abgedeckt werden, ein besonderes Augenmerk legten die Exptert:innen auf die Bildung und die Medien. Aber auch Justiz und Verwaltung, Kultur sowie das wirtschaftliche und soziale Leben und der grenzüberschreitende Austausch waren von Interesse.
Neben den allgemeinen Entwicklungen im Sprachgebiet, ging es um den aktuellen Stand in jedem Bundesland. Für alle Länder lässt sich durch die Pandemie eine starke Beeinträchtigung der Niederdeutschaktivitäten an den Schulen erkennen, insbesondere in den Ländern, in denen Niederdeutsch lediglich in Form von Arbeitsgemeinschaften angeboten wird. Die Delegierte aus Schleswig-Holstein berichtete über die erfreuliche Entwicklung im Bereich der schulischen Bildung: Das Modellprojekt Niederdeutsch läuft inzwischen an 34 Grundschulen und an 10 weiterführenden Schulen, weitere Schulen werden zeitnah dazukommen. Allerdings seien seitens des Landes noch keine Bestrebungen erkennbar, dem Niederdeutschen den Status eines regulären Schulfaches zuzubilligen. Der Delegierte aus Hamburg drückte seinen Unmut darüber aus, dass die vor Jahren positiven Ansätze mit der Einführung eines Faches Niederdeutsch an Hamburger Schulen seit langem stagnierten – es ließe nicht einmal herausfinden, an welchen Schulen Niederdeutsch tatsächlich unterrichtet wird. Erschwert würde die Arbeit für die Sprechergruppe durch die wechselnden Zuständigkeiten für Niederdeutsch seitens der Behörden.
Als aktuelle Entwicklung im Bereich Medien stellten BfN/NdS die Kampagne Funklock stoppen! vor, die ein öffentlich-rechtlich angebundenes plattdeutsches Hörfunk-Programm fordert. Zwar ist in dem neuen NDR-Rundfunkstaatsvertrag, der seit dem 1. September 2021 gilt, festgeschrieben, dass die Regional- und Minderheitensprachen angemessen und regelmäßig berücksichtigt werden sollen, doch aus Sicht der Sprechergruppe lässt diese Formulierung durchaus Raum zur Interpretation.
Eine Stärkung des Gebrauchs von Niederdeutsch bei Verwaltungsvorgängen erhoffen sich BfN/NdS durch das geplante Onlinezugangsgesetz: Bis Ende 2022 sollen alle Antragsverfahren für Bürger:innen auch online möglich sein. Die Sprechergruppe begrüßt das Vorhaben, dass auch die Regional- und Minderheitensprachen hinterlegt sein sollen. So wäre sichergestellt, dass die entsprechende Verpflichtung aus der Sprachencharta erfüllt wäre. Zu einem angekündigten Modellprojekt für Niederdeutsch liegen allerdings noch keine aktuellen Informationen vor.
Die Sprechergruppe hatte außerdem Gelegenheit, über die Tätigkeiten im Bereich der Jugendarbeit zu berichten, u.a. über die durchgeführten sowie die geplanten Online-Werkstätten für Junge Lüüd.