Niederdeutsch in der Verwaltung – Interview mit Anneke Schipper

Wenn es um die Verwendung und den Schutz der Regionalsprache Niederdeutsch geht, bekommt der Bereich Verwaltung meist nicht so viel Aufmerksamkeit. Anneke Schipper hat sich genauer mit dem Thema beschäftigt: In ihrer Bachelorarbeit "Die Amtssprache ist Deutsch? Multilingualität in der kommunalen Behörde unter besonderer Berücksichtigung des Niederdeutschen" befasst sie sich mit der Verwendung der Regionalsprache Niederdeutsch in einer Kommunalbehörde. Im Interview berichtet sie von ihren persönlichen Erfahrungen als Angestellte in einer kommunalen Behörde in Niedersachsen, wie dort Niederdeutsch verwendet wird, sowie von ihren Einschätzungen, wie der Gebrauch der Regionalsprache in Verwaltungsangelegenheiten erleichtert werden könnte.

Beschreiben Sie doch einmal, wer Sie sind und was Sie aktuell machen.

Mein Name ist Anneke Schipper und ich habe vor Kurzem mein duales Studium an der Hochschule für kommunale Verwaltung in Hannover beendet. Jetzt arbeite ich bei der Stadt Aurich.

Womit haben Sie sich in Ihrer Bachelorarbeit beschäftigt?

In Deutschland ist die Amtssprache Deutsch. Meine Arbeit "Die Amtssprache ist Deutsch? Multilingualität in der kommunalen Behörde unter besonderer Berücksichtigung des Niederdeutschen" beschäftigt sich mit den praktischen Auswirkungen dieser Regelung und der Frage, welchen Platz andere Sprachen daneben haben. Es hat sich herausgestellt, dass die Amtssprachenregelung so eine Art Schutznorm für die Verwaltung ist, auf die sie sich jederzeit berufen kann, aber nicht muss.

Sie arbeiten in einer kommunalen Behörde in Niedersachsen – inwiefern wird dort Niederdeutsch verwendet?

Mein Eindruck ist, dass unter Kollegen noch recht viel platt gesprochen wird. Ich habe auch schon eine Ortsratssitzung erlebt, die hauptsächlich auf Niederdeutsch geführt wurde. Wenn man dabei Protokoll führen muss, kann das eine Herausforderung sein.

Warum haben Sie sich gerade mit der Regionalsprache Niederdeutsch in der Verwaltung auseinandergesetzt? Wie ist Ihr persönlicher Zugang zu Niederdeutsch?

Ich hatte schon meine erste Bachelorarbeit über Niederdeutsch geschrieben und wollte nun auch die zweite über dieses Thema schreiben. Da ich für mein Studium aber einen Verwaltungsschwerpunkt brauchte, war das Thema Amtssprache die Schnittstelle. Das Interesse für die Sprache ist in meinem ersten Studium geweckt worden, als ich ein Germanistikseminar über Niederdeutsch und Saterfriesisch belegt hatte. Es folgten dann ein Sprachkurs und eine Anstellung als studentische Hilfskraft in diesem Bereich, schließlich die erste Bachelorarbeit. Im zweiten Studium konnte ich dann ein Praktikum bei der Ostfriesischen Landschaft machen. Ich bin in Ostfriesland aufgewachsen, da kommt man um Niederdeutsch nicht herum. Aber mit mir hat eigentlich nie jemand Platt gesprochen, sodass ich erst im Studium begonnen habe, meine passiven Sprachkenntnisse in aktive umzuwandeln. Fließend kann ich leider immer noch nicht sprechen, was hauptsächlich an mangelndem Training liegt. Vielleicht sollte ich es mehr einfordern, dass die Leute Platt mit mir sprechen.

Wo sehen Sie die größten Hürden in Bezug auf die aktuelle Lage des Verwaltungssystems und der Verwendung von Niederdeutsch?

Ein großes Problem ist die rechtliche Unsicherheit darüber, was man darf und was nicht. Und ich nehme an, dass neben dringlichen Angelegenheiten wie Haushaltskrisen und Corona auch das Bewusstsein fehlt, dass die Förderung des Niederdeutschen auch eine kommunale Aufgabe sein sollte.

Was müsste sich Ihrer Meinung nach verändern, damit in mehr Behörden Niederdeutsch akzeptiert und angewandt wird?

Ich glaube, dafür ist gar nicht so viel notwendig. Schön wäre es, wenn die Führungsebene die Mitarbeitenden offiziell dazu ermuntern würde, mehr Platt zu verwenden, dies würde die rechtliche Unsicherheit mindern. Gleichzeitig könnten die Mitarbeitenden selbstbewusster auftreten, in dem sie Gespräche auf Platt beginnen. Wenn ein Bürger darauf nicht eingehen kann oder möchte, wechselt man einfach ins Hochdeutsche. Ich habe auch schon von Mitarbeitenden gehört, dass sie das so machen.

Was glauben Sie, müsste passieren, dass sich mehr Bürger*innen auf Niederdeutsch an Behörden wenden?

Ich glaube, man müsste sie von Seiten der Verwaltung dazu einladen, Niederdeutsch zu verwenden. Das könnte zum Beispiel durch Plakate im Foyer der Kreis- und Rathäuser geschehen, oder auch durch Schilder an den Türen der Mitarbeiter, die Platt sprechen wollen: Prot platt mit mi! Ich könnte mir auch eine zweisprachige Beschilderung in öffentlichen Gebäuden vorstellen.

Die Sprachencharta ist ein Instrument, um das Niederdeutsche zu schützen und den Gebrauch zu erleichtern, auch im Bereich Verwaltung. Dort gibt es den Artikel 10, mit dem Sie sich im Rahmen Ihrer Bachelorarbeit auch beschäftigt haben. Was genau besagt der? Und wie hoch schätzen Sie dessen Wirksamkeit ein?

Der Artikel 10 der Charta enthält einen Maßnahmenkatalog, aus dem das Land Niedersachsen auswählen konnte, was es seinen Behörden in Bezug auf das Niederdeutsche erlauben, bzw. wozu es sie ermuntern wollte. Da es allen möglichen Punkten zugestimmt hat, dürfen Behörden beispielsweise zulassen, dass Bürger auch schriftliche Anträge auf Niederdeutsch stellen. Ein Problem ist jedoch, dass der Artikel sehr zurückhaltend formuliert ist: „die Vertragsparteien verpflichten sich folgendes zuzulassen und/oder dazu zu ermutigen“ bedeutet, dass alles kann und nichts muss. Und wie gesagt, meist sind andere Probleme dringlicher. Außerdem wird die Initiative mehr von den Bürgern anstatt von den Behörden gefordert.

Zum Abschluss: Was wünschen Sie sich für die Zukunft in Bezug auf das Thema Verwaltung und Niederdeutsch?

Ich würde mir wünschen, dass die Verwaltungen offensiver zum Gebrauch von Niederdeutsch einladen würden. Dadurch würden sie der Sprache die Möglichkeit geben, sich jenseits touristischer Folklore mit einem offiziellen Charakter zu zeigen.

Zum Weiterlesen: Die Amtssprache ist Deutsch? Multilingualität in der kommunalen Behörde unter besonderer Berücksichtigung des Niederdeutschen.

Das Interview führte Meret Buchholz, Werkstudentin im Niederdeutschsekretariat.