Einsatz von neuen Medien bei der Plattdeutschvermittlung

Interview mit Imke Schöneboom, Lehrerin und Beraterin für die Region und die Sprachen Niederdeutsch und Saterfriesisch für die Region Ostfriesland

Stellen Sie sich doch erst mal vor. Wer sind Sie und was machen Sie?

Mein Name ist Imke Schöneboom, ich bin 37 Jahre alt und komme aus Ostfriesland. Aufgewachsen bin ich in Arle, in einem keinen Dorf zwischen Norden und Aurich. Nach dem Abitur in Norden hat es mich für ein paar Jahre nach Nordrheinwestfalen zum Lehramtstudium (Englisch und Sport für Gymnasien und Gesamtschulen) verschlagen, ehe ich 2011 endlich wieder in meine Heimat Ostfriesland zurückkehren konnte. Ich bin Lehrerin an der Kooperativen Gesamtschule Hage-Norden und wohne mit meinem Mann und meinen beiden Kindern (3 und 6 Jahre), die im Gegensatz zu meinem Mann gute „Plattproter“ sind, in Aurich. Seit 2014 kümmere ich mich als Plattdeutschbeauftragte um den Bereich Plattdeutsch an meiner Schule. Angefangen bin ich mit einer AG, mittlerweile unterrichte ich meine Sportklassen immersiv und habe bereits drei Wahlpflichtkurse „Plattdüütsk“ geleitet. Seit 2019 bin ich zudem Beraterin für die Region und die Sprachen Niederdeutsch und Saterfriesisch für die Region Ostfriesland für die Regionalen Landesämter für Schule und Bildung, außerdem habe ich die Leitung eines Arbeitskreises mit dem Titel „Lüst up Platt in der Sek 1“ im Regionalpädagogischen Zentrum in Aurich. Somit dreht sich momentan bei mir sehr viel um das Plattdeutsche und das bereitet mir viel Freude!

Wie sind Ihre persönlichen Zugänge zum Plattdeutschen?

Ich bin in einem kleinen Dorf in Ostfriesland aufgewachsen. Da kommt man um Plattdeutsch einfach nicht drum herum. Meine Eltern, Großeltern, Onkel, Tanten und Nachbarn haben untereinander und auch mit uns Kindern Plattdeutsch gesprochen. Ich habe allerdings (leider) nie auf Plattdeutsch geantwortet. Das war in meiner Kindheit so – das Plattdeutsche war zu der Zeit immer noch weitestgehend verpönt. Aber die Sprache hatte ich natürlich immer im Ohr und habe sie unbewusst gelernt. Als ich dann ab 2019 beruflich so richtig mit Platt angefangen bin, kann ich mich noch erinnern, dass meine Mutter ganz perplex war, als ich meine erste Begrüßungsrede zum Plattdeutschen Lesewettbewerb ganz selbstverständlich vor großem Publikum auf Platt gehalten habe. Sie wusste einfach nicht, dass ich auch Plattdeutsch sprechen kann. Seitdem versuche ich darauf zu achten, dass ich meiner Mutter auf Plattdeutsch antworte, was aber gar nicht so einfach ist, wenn man das nie gemacht hat. Das geht mir übrigens mit vielen Kontakten so, die ich hochdeutsch kennengelernt habe – da ist es nicht so leicht zu „switchen“. Unsere Schulsekretärin ist aber eine Person, mit der mir das gelungen ist und ich glaube wir genießen diesen regelmäßigen Austausch auf Platt beide sehr – frei nach dem Motto „Platt geiht good - Platt deit good!“.

Seit April 2020 haben Sie einen Youtubekanal. Was machen Sie dort?

Über meinen Youtubekanal versuche ich alias Froo Sch. niederschwellige Plattdeutschangebote für Schülerinnen und Schüler und Kolleginnen und Kollegen für den Einsatz im Unterricht anzubieten, aber auch für die ganze Familie (für Oma, Opa, Onke, Tante und Eltern und alle die sonst noch Lust auf Platt haben) für zu Hause. Die Videos reichen von kreativen „sülvst maakt“ Angeboten wie Jonglierbälle basteln, einen Teecocktail zubereiten oder „Kookjes“ backen, über Bilderbuchkino (Philipp un sien Rookengel) und der Pflege von alten ostfriesische Traditionen (Bruudpadd leggen) bis hin zu plattdeutschen Imagefilmen, die die Lust auf und den Spaß an der plattdeutschen Sprache wecken sollen und zum Nachmachen auffordern. Auch Videos, die ich zusammen mit meinen Schülerinnen und Schülern im Plattdeutschunterricht entwickelt und gedreht habe, sind auf meinem Kanal zu finden (z.B. Schulführung auf Platt, Teetied in Oostfreesland, Begröten up Platt).

Wie sind Sie auf die Idee für diesen kreativen Ansatz gekommen, um Plattdeutsch zu vermitteln?

Kurz vor dem ersten Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 habe ich mit meiner Beraterkollegin Nicole Künnen aus Oldenburg eine Fortbildung zum Erstellen und Bearbeiten von Videos besucht. Unsere Idee war es einen Imagefilm für den „Plattdüütsch Filmpries“ zu drehen. Es entstand unser erstes Video „Troo di wat – proot Platt!“, das auch das erste Video auf meinem Youtubekanal war und das in den sozialen Medien tausendfach angesehen, geliked und geteilt wurde. Durch den großen Erfolg des Videos wurden wir angespornt weitere Videos zu drehen und merkten schnell, dass wir über unsere Videos besonders in der Coronazeit die Schülerinnen und Schüler aber auch viele andere Menschen, ob jung, ob alt, über die Schule hinaus erreichen konnten. Die Einrichtung eines Youtubekanals war somit naheliegend und auch der weitere Ausbau eines Social-Media-Auftritts.
Platt goes Social Media!

Für welche Zielgruppe gestalten Sie Content und wie sind deren Rückmeldungen?

Die Videos sind in erster Linie für Schülerinnen und Schüler und Kolleginnen und Kollegen für den Unterricht entstanden und gedacht. Im Unterricht, in der Notbetreuung, im Homeschooling und jetzt im Präsenzunterricht kommen die kreativen Lern- und Erklärvideos gut an. Viele meiner Schülerinnen und Schüler wünschen sich die Einbindung von Videos in den Unterricht, da mit Videos Themen kompakt und anschaulich aufbereitet werden können, aber das Ganze auch kreativ sein kann (Erklärvideos „Bruudpadd"). So können sie in ihrem individuellen Lerntempo arbeiten und auch selbst zu Produzenten werden. Im Lockdown wurden die Videos teilweise auch als Homeschoolingaufgabe verschickt, um einen lebendigen Dialog mit den Schülerinnen und Schülern zu halten. Sowohl von den Kolleginnen und Kollegen als auch von den Schülerinnen und Schülern gab es dafür durchweg positive Rückmeldungen.

Die „Troo di wat – proot Platt!“ Videos waren so motivierend, dass Schulen und sogar Familien eigene „Troo di wat-proot Platt!“ Videos gedreht und veröffentlicht haben. Immer wieder bekomme ich Nachrichten von Kolleginnen und Kollegen, aber auch Freunden und Bekannten, dass sie meine Videos in ihrem Unterricht oder im Familienkreis eingesetzt haben. Erst kürzlich schrieb mir eine Kollegin von einem Gymnasium, dass ich „das angestaubte Image des Plattdeutschen mit meinen tollen kreativen Ideen aufpoliert habe“, das hat mich natürlich riesig gefreut. Platt is cool! Neben dem Lob freue ich mich aber auch immer über konstruktive Kritik. Ein Bekannter regte an, dass ich bei einem Backvideo doch zuerst alle Zutaten einmal auflisten solle, ehe ich mit dem Zubereiten beginne. Eine Gruppe von Schülern riet mir in einem meiner ersten Videos auf eine Hintergrundmusik zurückzugreifen. Doon deit lehren!

Inwieweit setzen Sie Ihre Videos im Rahmen Ihrer Tätigkeit als Beraterin für die Region und ihre Sprachen in der Region Ostfriesland ein?

Ich setze sie natürlich zum einen in meinem eigenen Unterricht an meiner Schule ein, die seit 2018 Plattdeutsche Schule ist und seit 2020 Modellschule Sek 1. Zum anderen sind sie gezielt für meine Projektschulen und alle weiteren interessierten Schulen, Kolleginnen und Kollegen und andere Plattdeutschinteressierten gedacht. Wenn ich ein neues Video erstellt habe, schicke ich den Link umgehend an meinen Emailverteiler, den ich eigens für plattdeutschinteressierte Schulen in Ostfriesland eingerichtet habe. Zudem wird alles bei Instagram und Facebook geteilt. Meine Videos sollen direkt in den Unterricht der Kolleginnen und Kollegen einsetzbar sein, aber auch Vorlage und Ideengeber für das eigene Video, das man für seine Schüler oder mit seinen Schülern erstellt.

Können Sie uns schon verraten, zu welchen Themen Sie weitere Videos geplant haben?

Vor etwas längerer Zeit habe ich mal in einem Video Jonglierbälle gebastelt. Ein Tutorial zum Jonglieren hätte längst folgen sollen – das steht ganz oben auf meiner Liste. Außerdem kläre ich gerade die Rechte für ein weiteres Bilderbuchkino, was ich zusammen mit meinen Schülern zu „Oh wie schön ist Panama“ erstellen möchte. Auch zum Thema Backen, Basteln und Traditionen schwirren schon wieder Ideen in meinem Kopf! Ab dem neuen Schuljahr werde ich meinen Kanal mit denen von Nicole Künnen und Annika Morhaus-Kamp, die ebenfalls Beraterinnen für die RLSB sind, bündeln und unsere Ideen auf einem gemeinsamen Kanal für ganz Niedersachsen präsentieren. Auf diese große und wichtige Aufgabe für die Zukunft des Plattdeutschen freuen wir uns sehr!

Inwieweit nutzen Sie für Ihre Arbeit weitere soziale Medien?

Neben meinem Youtubekanal habe ich auch einen Instagram- und einen Facebookaccount für meine Arbeit als Fachberaterin für Niederdeutsch eingerichtet. Es hat sich gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler am besten über Instagram zu erreichen sind, ältere Menschen hingegen eher über Facebook. Bei Instagram läuft zum Beispiel an jedem Freitag sehr viel unter dem Hashtag „PlatterFreitag“ oder „FredagisPlattdag“. Es hat sich dort eine große Community zusammengefunden. Auch unser Auftritt bei Instagram und Facebook soll ab dem Sommer aus der Fachaufgabe heraus gebündelt und gemeinsam von Nicole Künnen, Annika Morhaus-Kamp und mir betreut werden.

Wie schätzen Sie die Rolle der sozialen Medien ein, um Plattdeutsch an jüngere Zielgruppen zu vermitteln?

Die sozialen Medien spielen definitiv eine große Rolle in der heutigen Lebenswelt der jungen Menschen. Die meisten Jugendlichen nutzen täglich über mehrere Stunden soziale Netzwerke, sind bei Instagram, Youtube und Co unterwegs. Und sie nutzen sie nicht nur, sie gestalten sie auch aktiv. Wir müssen die Schülerinnen und Schüler dort abholen und sie auch aktiv mit einbeziehen. Nur so kann das Plattdeutsche erhalten werden. Wenn wir uns für den Erhalt unserer Sprache stark machen wollen, muss sie in die Schule gebracht werden und wenn wir dort Schülerinnen und Schüler mit Platt erreichen wollen, führt kein Weg daran vorbei auch die sozialen Medien mit einzubeziehen.

Was wären Ihre Wünsche im Bezug auf Plattdeutsch und die neuen Medien?

Natürlich würde ich mir persönlich für meinen Account bei Youtube noch mehr Follower und Likes wünschen und mit meinen Videos noch mehr Leute – jung und alt - zu erreichen und zu motivieren Plattdeutsch zu hören, zu lernen und zu sprechen. Mit der niedersachsenweiten Kooperation ab dem neuen Schuljahr erhoffe ich mir außerdem einen noch professionelleren und regelmäßigeren Auftritt in den neuen Medien. Des Weiteren ist die Akzeptanz unserer Arbeit in den sozialen Medien - vor allem bei älteren Kolleginnen und Kollegen - noch ausbaufähig. Statt Bedenken und Skepsis würde ich mir noch mehr Nachahmer wünschen!

Imke Schöneboom im Internet