Forderungen der jungen Vertreter:innen der autochthonen Gruppen an die Politik

Im Zuge des letzten Vernetzungstreffens junger Angehöriger der autochthonen Gruppen Deutschlands in Flensburg zwischen dem 19. und 23. Juli 2024 wurden Forderungen gegenüber der Politik verfasst. Das Treffen mit dem Namen „Vielfalt zwischen den Meeren“ war an junge Leute aus den 4 nationalen Minderheiten und der Sprechergruppe Niederdeutsch gerichtet. Gemeinsamen wurden Workshops durchgeführt, es gab Führungen durch verschiedene Minderheiten- und Niederdeutschinstitutionen, Begegnungen mit Akteur:innen und Politiker:innen, und es gab viele Möglichkeiten zu informellen Gesprächen zum diversen Themen. Das Ziel war es, die Teilnehmenden hinsichtlich der Wahrnehmung der eigenen Identität, des kulturellen und sprachlichen Empowerments und der politischen Partizipation zu ermuntern und zu fördern. Die zahlreichen Begegnungs- und Austauschmöglichkeiten ergaben viele Parallelen, was das eigene Leben als Minorität oder Teil einer Sprechergruppe betrifft sowie was die Wünsche für gezielte und generationsspezifischen Förderung betrifft. Um diese auch nach außen zu tragen und gegenüber der Politik deutlich zu Wort zu bringen, wurden während des Vernetzungstreffens deutliche Punkte und Kernproblematiken für ein Forderungspapier zusammengetragen und anschließend ausformuliert. Dieses Papier soll die Standpunkte der jungen Generation der autochthonen Gruppen Deutschlands deutlich machen.

Download: „Denn wir sind die Zukunft“ (PDF)

Gemeinsames Forderungspapier junger Angehöriger der autochthonen Gruppen Deutschlands

„Denn wir sind die Zukunft“

Wir sind junge Angehörige der dänischen Minderheit, der deutschen Sinti und Roma, der friesischen Volksgruppe, des sorbischen Volkes sowie der Sprechergruppe Niederdeutsch. Wir bringen mit diesem Papier unsere gemeinsamen Forderungen gegenüber der Politik und den Institutionen zum Ausdruck. Wir stehen für gelebte Mehrsprachigkeit, kulturelle Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe. Denn unsere Stimmen werden noch zu oft überhört. Wir fordern, dass die Perspektiven der jungen Generation in der politischen Gestaltung endlich sicht- und hörbar werden.

  1. Minderheitenpolitik muss junge Stimmen ernst nehmen

Wir fordern eine verbindliche und dauerhafte Beteiligung junger Vertreter:innen unserer Gruppen in politischen Gremien, Beiräten und Institutionen. Politische Entscheidungen, die unsere Zukunft betreffen, müssen gemeinsam mit uns getroffen werden. Denn wir sind die Generation, die die Kultur und Sprache in der Zukunft an die Kinder wiedergibt und am Leben hält. Dafür braucht es feste Beteiligungsformate, Jugendbeauftragte mit Stimmrecht und transparente Förderstrukturen für jugendliches Engagement.

  1. Sichtbarkeit und Anerkennung in Öffentlichkeit und Bildung

Unsere Sprachen, Kulturen und Geschichten müssen sichtbarer werden – in Schulen, Medien, Museen und auf öffentlichen Veranstaltungen. Dazu gehört auch, dass Lehrkräfte besser ausgebildet und Materialien in unseren Sprachen bereitgestellt werden. Denn wenn die Weitergabe der Sprache in der Familie abzubrechen droht, muss die Schule das Erlernen der Sprache und das Erhalten einer Sprachgemeinschaft sicherstellen. Landesgeschichten und Schulcurricula müssen die Minderheiten und das Niederdeutsche als festen Bestandteil, um die Mehrheitsbevölkerung über uns aufzuklären. Zudem müssen die autochthonen Gruppen und ihre Sprachen auch in der Öffentlichkeit sichtbar werden und ihre gelebte Realität muss nach außen getragen werden.

  1. Medien, die unsere Sprachen sprechen

Wir brauchen eine moderne Medienlandschaft, die unsere Lebensrealitäten abbildet – mit Inhalten für junge Zielgruppen, in unseren Sprachen und produziert von jungen Menschen. Wir fordern dafür:

  • Bereitstellung finanzieller Mittel für mehr moderne Medienformate in den jeweiligen Sprachen,
  • Förderprogramme für junge Medienschaffende aus den Minderheiten,
  • Unterstützung für Social-Media-Projekte, Podcasts, Filme und Plattformen, die unsere Sprachen und Kulturen transportieren.
  1. Kulturförderung darf nicht am Alter scheitern

Kulturelles Engagement junger Menschen braucht Raum, Anerkennung und finanzielle Unterstützung. Wir fordern niedrigschwellige Förderprogramme für Jugendinitiativen in unseren Gruppen, unbürokratisch, transparent und nachhaltig. Lokale Projekte, Musik, Literatur, Theater, digitale Formate oder Austauschformate verdienen denselben Respekt und die gleichen Mittel wie große Kultureinrichtungen. Zudem können bestehende Vereine mehr Förderung bekommen, wenn sie sich aktiv für den Erhalt der Sprachen einsetzen, indem sie Angebote in ihnen schaffen.

  1. Keine Angst vor Diskriminierung – Recht auf Identität schützen

Diskriminierung, Vorurteile und Ausgrenzung gehören für viele von uns zum Alltag. Wir fordern konkrete Maßnahmen:

  • bessere Bildungsarbeit gegen Rassismus, Antiziganismus, Antisorbismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit,
  • Anlaufstellen für Betroffene,
  • Schutz unserer Identität im Netz und auf der Straße,
  • stärkere Sanktionierung bei Verstößen gegen die Rechte von Minderheiten,
  • mehr Möglichkeiten der Selbstbestimmung, wie über uns berichtet wird.
  1. Verantwortung in der Politik verankern

Wir fordern, dass die Rechte nationaler Minderheiten und Sprechergruppen stärker gesetzlich abgesichert werden:

  • durch Aufnahme in die Landesverfassungen und in das Grundgesetz,
  • durch konsequente Umsetzung und Kontrolle der Europäischen Sprachencharta,
  • durch klare Zuständigkeiten in Verwaltungen und Ministerien,
  • durch gesicherte Finanzierung unserer Institutionen.
  1. Sprache ist mehr als Tradition – sie ist Zukunft

Unsere Sprachen sind keine Relikte, sondern Werkzeuge für morgen. Sie sind emotionales Zuhause, Zugang zu Geschichte, Tradition und Identität, aber auch Schlüssel für innovative Bildung, Inklusion und gesellschaftliche Vielfalt. Wir fordern, dass ihre Förderung nicht nur unter dem Aspekt des Erhalts gedacht wird, sondern als Investition in eine plurale, demokratische Gesellschaft. Dies betrifft genau so bestehende Institutionen der Minderheiten und der Sprechergruppe Niederdeutsch, die oft kaum Fokus auf die junge Generation legen und sie nicht in Prozesse involvieren, obwohl sie es gerade sind, die die Entscheidungen in der Zukunft tragen müssen.