100 Jahre Niederdeutsche Philologie an der Universität Rostock

Nach(t)gedanken zur Festveranstaltung

Am 30. Oktober 2020 luden Andreas Bieberstedt, Christoph Schmitt und Doreen Brandt zum Jubiläumskolloqium der niederdeutschen Philologie nach Rostock ein. Seit 100 Jahren gibt es in Rostock einen Lehrstuhl für Niederdeutsche Philologie – es ist damit der älteste Lehrstuhl für Niederdeutsch in Deutschland. Der Rektor der Universität Wolfgang Schareck begrüßte das Auditorium mit einigen plattdeutschen Sätzen, die ihm schon in seiner Arbeit als Arzt so manchen Zugang zu Patienten ermöglicht hatten. Er sagte seine Unterstützung für die Erhaltung des Faches und ein Zentrum für Regionalforschung zu. Danach ging es auf hochdeutsch weiter.

Andreas Bieberstedt erzählte die Geschichte der Niederdeutschen Philologie in Rostock, die unter anderem mit dem volkskundlichen Sprachforscher Richard Wossidlo einen Vorläufer und dessen Mitstreiter Hermann Teuchert als erstem Lehrstuhlinhaber bedeutende Vertreter hatte. Die erste Lehrstuhlinhaberin nach der Wiedereinrichtung des Lehrstuhls 1992 Irmtraut Rösler ehrte die Veranstaltung mit ihrer Anwesenheit. Ingrid Schröder vervollständigte die Geschichtsdarstellung mit ihrem Vortrag zum Verein für niederdeutsche Sprachforschung und dessen Bezug zu Rostock. Noch immer ist das Mecklenburgische Wörterbuch, der Wossidlo-Teuchert, Gegenstand aktueller Forschung. In seinem Vortrag über ein geplantes Digitalisierungsprojekt dieses Großlandschaftswörterbuchs beschrieb Christoph Schmitt, dass der „Wossidlo-Teuchert“ im Trierer Wörterbuchnetz auch hochdeutsch zugänglich wird. Damit könnte dieses Werk der volkskundlichen Sprachforschung in Austausch mit anderen Mundartwörterbüchern gebracht und mit seinen im virtuellen Archiv „WossiDiA“ sichtbaren Quellenbelegen nutzbar gemacht werden.

Klaas-Hinrich Ehlers stellte seine Forschungen zu bisher unveröffentlichten Tonaufnahmen aus den 1960er Jahren in der DDR vor, die höchsten wissenschaftlichen Standards entsprechen und bisher noch nicht ausgewertet wurden. Hier sind weitere Anknüpfungen auch für die Plattdeutschsprecherinnen und -sprecher in bürgerwissenschaftlichen Projekten möglich. Schließlich berichtete Franz-Josef Holznagel von seiner Neuedition des Rostocker Liederbuches und die Bedeutung der forschenden Bibliothekare und Doreen Brandt ging auf ihren literaturwissenschaftlichen Zugang zur niederdeutschen Literatur in der Neuzeit zwischen 1650 und 1800 ein. Die Veranstaltung wurde mit einem Abendvortrag von Birte Arendt und Andreas Bieberstedt würdig geschlossen, indem sie einen Ausblick auf die Didaktik des Niederdeutschen für den wachsenden Bedarf an Lehrkräften für Niederdeutsch eingingen.

Bei so viel Fachwissen bleibt aus Sicht des Heimatverbandes Mecklenburg-Vorpommern zu hoffen, dass von den Lehrstühlen für Niederdeutsch wieder eine so vielgestaltige Zusammenarbeit mit den Plattdeutschsprechern ausgeht wie in den Anfangsjahren des Lehrstuhls. Zudem sollten die Leistungen eines der Gründerväter der Europäischen Ethnologie Richard Wossidlo nicht auf das Plattdeutschsammeln reduziert werden. Sein Erbe sollte in einer zukünftigen Wossidlo-Forschungsstelle weiter ethnologisch gepflegt werden.

Dr. Anna-Konstanze Schröder, Geschäftsführerin im Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern
Foto Festsaal: Dr. Anna-Konstanze Schröder, Foto Wossidlo: Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern